Turmstation Kunigunde

Kunigunde und Heinrich. Oder: Die Mehlemer Sage.

Kennt ihr diesen fantastischen Ausblick auf Bonn und das Siebengebirge? Vom Heinrichsblick aus könnt ihr ihn genießen. Genießen konnten ihn wohl kaum jene Menschen, die dort hingerichtet wurden: Laut den Chroniken war es der Richtplatz von Mehlem.
Aber immerhin – der letzte Blick war nicht schlecht: eine 360°-Ansicht auf Google Maps. Bei guter Sicht (und guten Augen) seht ihr sogar den Kölner Dom.

Was hat die Turmstation Kunigunde mit dem Heinrichsblick zu tun, den ihr von dort zu Fuß nach 1,8 km erreicht?

Das wird in der Mehlemer Sage erzählt, die ich in drei verschiedenen Versionen gefunden habe.
Vorab: Kunigunde war die Tochter des Mehlemer Amtsmannes. Weil sie wohl intellligent und liebenswert war und auch ganz gut aussah, standen ein paar Männer auf sie – da beginnt das Drama, das auch dazu führte, dass irgendwann nach 1913 die Brunnenstraße von Mehlem nach ihr benannt wurde: die Kunigundenstraße, von der ich den Namen meiner Turmstation herleitete.

Version 1 (Quelle: “Heinrichsblick” aus dem General-Anzeiger vom 17. Juli 2007)
Kunigunde und Heinrich, ein junger Mann unbekannter Herkunft, wollten heiraten.
Als Kunigunde und Heinrich durch den Kottenforst gingen, um Verwandte persönlich zur Hochzeit einzuladen, soll Heinrich auf halber Strecke zurückgekehrt sein, weil er noch etwas zu erledigen hatte. Mitten im Wald hörte er ein Stöhnen und fand eine blutüberströmte Frau. Er nahm sie auf die Schultern und brachte sie ins Dorf. Als er merkte, dass sie tot war, erstattete er Anzeige. Die abgewiesenen Freier Kunigundes  – ja, so steht’s da: Freier! War Kunigunde nun Amstmannstochter? Oder eine Sexarbeiterin? Oder beides?  – schoben daraufhin Heinrich die Tat in die Schuhe, so die Legende. Sie erreichten, dass er ohne Verteidigung auf dem Richtplatz am Rodderberg sterben musste.
Immerhin wurde der Aussichtspunkt dann noch nach Heinrich benannt.

Version 2 (Quelle: Wikipedia-Artikel von Mehlem, Abschnitt: Mehlemer Sage bzw. Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg e.V.)
„Die Sage von Heinrich und Kunigunde erzählt von dem Feldherren Heinrich und seiner hübschen Geliebten Kunigunde. Eines Tages wurde Heinrich an die Front gerufen. Noch bevor er Mehlem verließ, bat er Kunigundes Vater ohne deren Wissen um ihre Hand in der Ehe. Dieser jedoch versagte Heinrich den Wunsch.
Es vergingen einige Monate und Kunigunde verlor den Glauben daran, dass Heinrich lebend aus dem Feldzug zurückkehren würde. Eines Tages hielt sie es vor Herzschmerz nicht mehr aus und verließ Mehlem, ohne jemanden Bescheid zu geben, um im nahegelegenen Niederbachem bei ihrem Onkel und ihrer Tante zu leben.
Nur kurze Zeit später kehrte Heinrich nach Mehlem zurück. Die Mehlemer glaubten, er habe Kunigunde verschleppt. Sie verurteilten ihn und er wurde noch am selben Abend auf dem Mehlemer Richtplatz gehängt. Kurz darauf kehrte Kunigunde zurück und erfuhr vom Tod Heinrichs, woraufhin sie ins Mehlemer Kloster ging, da sie nie wieder jemanden so sehr lieben konnte wie Heinrich.“
Ganz andere Storyline, doch mit dem gleichen Finale: Heinrichs Leben endet am Mehlemer Richtplatz. Laut des Wikipedia-Beitrags erinnert an die Mehlemer Sage ein Gedenkstein auf dem Rodderberg bei den „Drei Bäumchen“. Doch ob der Aussichtspunkt Heinrichblick und die „Drei Bäumchen“ eins sind, habe ich bislang nicht eruieren können. Ich glaube es nicht, denn am Heinrichsblick findet sich nur folgender Gedenkstein:

Inschrift: HEINRICHSBLICK. HISTORISCHE RICHTSTÄTTE DES AMTES MEHLEM.
WIEDERERRICHTET 1946.  ST. SEBASTIANUS BRUDERSCHAFTEN MEHLEM

Wenn ihr wisst, wo die „Drei Bäumchen“ am Rodderberg und der Mehlemer-Sage-Gedenkstein stehen, freue ich mich sehr über Hinweise über die Kommentarfunktion oder per E-Mail.

Version 3 (Quelle: (LVR-KuLaDig-Artikel vom Drachensteinpark in Mehlem; Originalquelle: Bonner Rundschau vom 23.05.1959):
„Im Jahre 1520, so berichtet die Sage, begleitete Heinrich seine Braut Kunigunde ein Stück durch den Wald, der sich hier weit ins Land hinein zog. Kunigunde wollte Verwandte besuchen. Nach dem Abschied im Walde kehrte Heinrich zurück. Kunigunde aber blieb spurlos verschwunden. Da beschuldigte man Heinrich des feigen Mordes, verurteilte ihn zum Tode und führte ihn zur Richtstätte auf dem Roddersberg (dem “Heinrichs-Blick„).
Heinrich aber war unschuldig angeklagt und verurteilt worden, denn seine Braut Kunigunde war im Wald von Räubern überfallen und festgehalten worden. Nach einigen Tagen konnte sie fliehen und traf am Gerichtstag in Mehlem ein. Sofort jagte ein Reiter zur Gerichts- und Richtstätte, um Heinrich zu retten. Obwohl er sein Pferd zu Schaden ritt, konnte er die Vollstreckung des Urteils nicht mehr verhindern. Er kam zu spät.
Kunigunde ging ins Kloster. Voller Trauer bestimmte sie, dass der jeweilige Besitzer des Weinberges an der Mainzer Straße 
(dem Grundstück, auf dem die Mehlemsche Villa Schnitzler und der sie umgebende Drachensteinpark steht) jedes Jahr am Fastnachtsdienstag – an dem Tag an dem Heinrich hingerichtet worden war  – das Läuten der Glocken in Mehlem, die die Unschuld Heinrichs verkünden, bezahlen müsse.“
Hoppla, wieder eine ganz andere Geschichte – mit gleichem Ende. Dieses Mal mit einer zeitlichen Einordnung: 1520! Demnach beruht die Mehlemer Sage auf einer Hinrichtung von vor 500 Jahren, die jedoch bis in die heutige Zeit wirkt: Denn laut des KuLaDig-Beitrags läuten die Glocken in Mehlem immer noch am Karnevalsdienstag, wobei die Mehlemer*innen diesen Dienst schon um 1938 freiwillig übernommen haben sollen. Die Urkunden, die diese Pflicht der Eigentümerin oder dem Eigentümer des Weinberges auferlegten, verschwanden demnach beim Verkauf des Grundstücks an einen reichen Kölner Bürger.
Ich hab’s versäumt, am diesjährigen Faschingsdienstag (am 25. Februar 2020) den Kirchenglocken zu lauschen, werde das aber 2021 nachholen  – so sie denn läuten.

Bei meinen Recherchen bin ich auch darauf gestoßen, dass es in den 30er Jahren mal eine Theateraufführung von „Heinrich und Kunigunde“ gab. Ort der wohl improvisierten Freilichtbühne: An den „drei Bäumchen“ auf dem Rodderberg.
Eine Anna spielte Kunigunde, Heinrich wurde von Philip Amendt gespielt. Für Anna und Philip endete die Geschichte weit schöner als für Kunigunde und Heinrich: 1937 heirateten sie. <3
Ihre vier Töchter schenkten ihnen neun Enkel*innen, 17 Urenkel*innen und zwei Ururenkel*innen (Stand 2013; Quelle: “Anna Amendt wurde 100!” – Beitrag S. 64 in der Jubiläumsausgabe des Steinbach-Boten).

Ausblick vom Heinrichsblick im Juli 2019. Leider ohne Drachenfels.

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